Muslimische Seelsorge in Bundesasylzentren. Vertiefte Evaluation des Pilotprojekts
BHT
German
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat das im Frühjahr 2021 begonnene Pilotprojekt für muslimische Asylseelsorge bis Ende 2022 verlängert. Auf der Grundlage einer vertieften Evaluation durch das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg soll geprüft werden, wie sich muslimische Seelsorge dauerhaft einführen lässt. Das Ziel dieser Evaluation, die im Zeitraum von Juli bis Oktober 2022 realisiert wurde, war es, herauszufinden, wie sich die muslimische Seelsorge seit der letzten Evaluation entwickelt hat. Zudem war die Studie damit beauftragt, auch die im Januar 2022 eingeführte muslimische Seelsorge im Tessin zu evaluieren. Derzeit sind sechs muslimische Seelsorgende mit einem Stellenumfang von insgesamt 315% in elf Bundesasylzentren (BAZ) in den Asylregionen Westschweiz, Zürich, Ostschweiz sowie Tessin und Zentralschweiz im Einsatz. Die formativ angelegte qualitative Evaluation basiert auf Interviews und Hearings mit insgesamt 18 Personen (Seelsorgende, Verantwortliche P&A, SEM- Verantwortliche) sowie auf neuer wissenschaftlicher Literatur, Medienberichten und weiteren Dokumenten. Sie nimmt Bedürfnisse, Potenziale und Interaktionen unterschiedlicher Stakeholder in den Blick. Ein besonderes Augenmerk richtet sich dabei auf die Weiterentwicklung des Pilotprojekts im Jahr 2022. Die Studie kommt zum Schluss, dass sich die Befunde der letzten Evaluation bestätigen lassen und dass mit der zunehmenden Etablierung der muslimischen Seelsorge in den BAZ eine bessere Kooperation mit anderen Diensten in den Zentren wie auch eine grössere Wertschätzung dieser Dienstleistung von anderen Akteuren vor Ort einhergeht. Die Seelsorgenden begleiten die Gesuchstellenden, hören ihnen bei psychischen Belastungen oder gesundheitlichen Problemen zu, trösten sie in schwierigen Lebenssituationen, nehmen ihre religiösen Anliegen wahr und ermöglichen einen kultursensiblen Umgang mit einschneidenden Ereignissen in den BAZ. Darüber hinaus nehmen sie als Respektspersonen eine Mediationsrolle ein und tragen zur Vorbeugung von Konflikten bei. Muslimische Seelsorge erweist sich damit als wichtige Ressource, von der nicht nur die Gesuchstellenden, sondern auch die BAZ als ganze profitieren. Mehrere Befragte bekundeten, dass die muslimische Seelsorge nicht mehr aus den BAZ wegzudenken ist. So wurde in einem Fall auch das Angebot der muslimischen Seelsorge infolge einer Initiative des Betreuungspersonals auf ein weiteres BAZ ausgeweitet. Darüber hinaus konnte im zweiten Projektjahr die interreligiöse und interprofessionelle Zusammenarbeit mit den christlichen Seelsorgenden sowie mit dem Betreuungs-, Gesundheitsund Sicherheitspersonal vertieft werden. Der Quervergleich zeigt, dass die muslimische Seelsorge in den BAZ, in denen sie schon länger angeboten wird, besonders gut verankert ist. Im Tessin, wo erst Anfang 2022 ein muslimischer Seelsorgender seine Tätigkeit aufgenommen hat, besteht noch Bedarf an Information, Austausch und Rollenklärungen. In der Deutschschweiz arbeitet das SEM mit dem Verein QuaMS (Qualitätssicherung der Muslimischen Seelsorge in öffentlichen Institutionen) zusammen, der als Fachstelle an der Schnittstelle von öffentlichen Institutionen, Kanton und Religionsgemeinschaften breite Anerkennung geniesst. Aufgrund der Massnahmen zur Qualitätssicherung sowie der Supervisions- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Seelsorgenden im Rahmen von QuaMS ergibt sich hier ein Mehrwert, der in den anderen Sprachregionen so nicht gegeben ist. Die Evaluation empfiehlt mit Nachdruck eine Verstetigung des Pilotprojekts und schlägt einige Massnahmen zu deren Optimierung vor. So soll die strukturelle Verankerung und die Unabhängigkeit der muslimischen Seelsorgenden gestärkt werden. Dabei soll auch die spezifische Situation in den verschiedenen Sprachregionen berücksichtigt und der Austausch zwischen diesen intensiviert werden. Muslimische und kantonale Akteure in der Westschweiz sollen ermutigt werden, aufbauend auf dort vorhandene Kompetenzen eine analoge Organisation zu QuaMS zu schaffen. Ausserdem empfiehlt die Evaluation, ein besonderes Augenmerk auf die Diversität in den Seelsorgeteams zu richten, was Geschlecht, Sprachkenntnisse und konfessionelle Profile betrifft. Weiterbildungen für die Seelsorgenden sollen sich allgemeinen Herausforderungen im Zusammenhang mit Flucht und Asyl widmen, aber auch spezifischen Fragen Raum geben, die die kulturellen Kontexte und religiösen Ressourcen von Gesuchstellenden muslimischen Glaubens betreffen. Schliesslich sollen die Verantwortlichen der BAZ den Austausch mit allen Seelsorgenden intensivieren und im Rahmen von Workshops die Teamentwicklung vorantreiben. Aufgrund des anhaltend hohen Bedarfs soll auch geprüft werden, ob eine Erhöhung des Zeitbudgets der Seelsorgenden bzw. eine Anstellung weiterer Seelsorgender sowie eine Ausweitung auf weitere BAZ möglich ist.
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